Honeckers Blick nach Westen – Westgüter für die DDR

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Erich Honecker verbesserte die Konsumlage in der DDR

Die meisten der heute noch lebenden DDR-Bürger wuchsen in der Honecker-Ära auf. Sie kennen nicht mehr das politische und wirtschaftliche Klima der Ulbricht-Ära. Was aber waren die Unterschiede der beiden „DDR-Systeme“, wo lagen die etwaigen Vorteile von Honeckers Regimes?

Schwarz-weiß Malerei ist bei der geschichtlichen Betrachtung der DDR-Entwicklung nicht angebracht. DDR war nie gleich DDR. Ideologien wechselten wie im alten Rom die Herrscher. Ulbrichts Sturz war nicht mit Blut besuddelt wie ein „üblicher“ Putsch im alten Rom, aber die Intrigen und Charaktere der Verräter ähnelten sich. Ulbricht stand für Diktatur, Verhaftung Andersdenkender, dem Bau der Mauer. Aber er trieb auch die Gleichstellung der Frau voran und machte aus der DDR das fortschrittlichste Land im Ostblock, arbeitete an der DDR als Vorzeigestaat des Sozialismus und leitete ein kleines Wirtschaftswunder ein.

Was aber brachte die Honecker-Ära den Bewohnern der DDR? Während Ulbricht die Wirtschaftspolitik ins Zentrum gerückt hatte, die Planwirtschaft durch eine leistungsorientierte und dezentralisierte Wirtschaft ablöste, deklarierte Honecker die „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ zur Hauptaufgabe und schuf das wirtschaftliche System Ulbrichts wieder ab. Es folgte eine letzte große Welle der Enteignungen in der DDR. Was war aber diese „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“?

Die Bürger der DDR waren insgesamt unzufrieden. Natürlich musste keiner mehr Hunger leiden, niemand erfror im Winter und die schlimmsten Krankheiten waren gestoppt. Aber man empfing West-TV. Die Kinder im Westen freuten sich über Ü-Eier und Haribo. Den Hausfrauen wurde mit Ariel porentief reine Wäsche versprochen. Und der Mann im Haus träumte von einem Auto. Was DDR Bürger im West-TV sahen, weckte Begehrlichkeiten. Forderungen wie „Das will ich auch haben!“ und „Ich arbeite hart und will auch den ‚Luxus‘ der BRD Bürger haben.“ machten die Runde.

Die Menschen fragten: Warum haben die Arbeiter im Westen einen Farb-TV und ich im Osten kann nur Schwarz-Weiß sehen? Wieso muß mein Kind Gummibärchen essen, wo es im Westen Haribo gibt? Darf ich kein Ariel haben, wie die im Westen? Muß ich mich mit „Spee“ begnügen? Die Werbepausen auf ARD waren wichtiger als die Filme auf ARD. Filme waren Filme. Aber die Werbung zeigte uns eine andere Welt. Das Interessante am West-TV war die Werbung. Es war ein Blick in eine „bessere“ (Konsum-) Welt.

Die DDR Bürger arbeiteten wirklich hart. Aber der Maßstab war irgendwann die westliche Konsumwelt. Honecker erkannte das Problem. Er forcierte eine Erhöhung des Lebensstandards und der Kaufkraft. Honecker wollte mit der „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ einen Anschluß an dem westlichen Konsum mit den Vorzügen der sozialistischen Wohlstandsgesellschaft finden. Konsum für alle, aber auch soziale Absicherung für alle. So erlaubte Honecker ab 1974 den Besitz von Valuta (D-Mark, Dollar, Pfund etc.) und ermöglichten den DDR Bürgern somit den Einkauf im „Intershop“, der Einzelhandelskette für „West-Produkte“, deren Waren nur mit konvertierbaren Währungen, später auch mit Forumschecks, bezahlt werden konnten. In den 80-ziger Jahren gab es rund 380 Filialen, deren Umsatz in die Milliarden ging. In den Besitz von Westgeld kamen die DDR Bürger durch ihre Westverwandten oder dem Tausch auf dem Schwarzmarkt. Honecker ermöglichte den DDR Bürgern ein Gefühl von „Luxus“, man hatte etwas aus dem Westen.