Geringe Kriminalität in der DDR – sind die Statistiken zuverlässig?

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Kriminalität im Alltag der DDR

Erst ein Gesetz macht aus einer bestimmten Handlung einen juristisch verfolgbaren Sachverhalt, eine Straftat. Aufgrund abweichender Gesetzeslage ist ein Vergleich der Kriminalität von der DDR zur BRD ohne juristisches Fachwissen schwer zu realisieren.

In der DDR gab es beispielsweise keine Beschaffungskriminalität, keine Drogendelikte und keine Fälle von Schwarzarbeit. Schwarzarbeit hieß damals „Feierabendarbeit“, wurde durch Gesetze gefördert und reglementiert. Es gab Vorschriften, was ein Feierabendarbeiter („Schwarzarbeiter“) für seine Leistungen berechnen durfte. Wer „pfuschen“ ging, brauchte auch keine Gewerbeanmeldung, konnte nicht gegen eine Gewerbeordnung verstoßen. „Illegale Abtreibungen“ waren ebenfalls kein Straftatbestand, es gab keine. Ab 1972 durfte jede Frau in der DDR die Schwangerschaft innerhalb der ersten 12 Wochen abbrechen, geregelt im „Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft“.

Schwarzfahrer“ hatten eine ruhige Zeit, ohne befürchten zu müssen, wegen „Erschleichung von Leistungen“ eingesperrt zu werden. Die Schwarzfahrer wurden an der Werkbank gebraucht, nicht in der Gefängniszelle.

Die TopTen 1988 in der DDR führten Eigentumsdelikte an. Es wurden 34.865 Straftaten gegen das persönliche und private Eigentum registriert. Straftaten gegen das sozialistische Eigentum lagen in 24.632 Fällen vor. Im privaten Bereich wurde nicht mehr geklaut, es wurde nur mehr zur Anzeige gebracht. Diebstahl von sozialistischem Eigentum, dem Volkseigentum, wurde kaum als Diebstahl empfunden. Wenn der Angestellte eines Kies-Werkes für sein Eigenheim eine Fuhre Kies mitnahm, zählte das nicht als Diebstahl, der Meister ließ das nach Absprache durchgehen.

Der ambitionierte Handwerker, welcher eine Packung Schweißelektroden für die Feierabendarbeit einpackte, sah sich ebenfalls nicht als Dieb – auch wenn es offiziell Diebstahl von sozialistischem Eigentum gemäß § 158, 161 oder 162 war.

Insgesamt wurden 119.124 Straftaten im Jahr 1988 gemeldet.

Auszugsweise:

  • 34.865 Straftaten gegen das persönliche und private Eigentum
  • 28.520 Straftaten gegen das sozialistische Eigentum
  • 10.134 Vorsätzliche Körperverletzung
  • 8.157 Beeinträchtigung von Ordnung und Sicherheit durch asoziales Verhalten
  • 4.043 Unbefugte Benutzung von Fahrzeugen
  • 2.709 Herbeiführung eines schweren Verkehrsunfalls
  • 2.428 Verkehrsgefährdung durch Trunkenheit
  • 1.934 Begünstigung und Hehlerei
  • 1.882 Rowdytum
  • 1.214 Verletzung der Unterhaltspflicht
  • 1.207 Beleidigung
  • 1.091 Sexueller Missbrauch von Kindern
  • 960 Raub, Erpressung
  • 530 Vergewaltigung
  • 481 Verletzung von Erziehungspflichten
  • 445 Nötigung/Missbrauch zu sexuellen Handlungen,
  • 303 Brandstiftung
  • 175 Unbefugter Waffen- und Sprengmittel Besitz
  • 113 vorsätzliche Tötung